Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 18. Juli 2024 (Az. C-565/22) wichtige Leitlinien zum Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen und automatisch verlängerten Online-Abonnements aufgestellt. Die Entscheidung schafft Klarheit für Verbraucher und mahnt Anbieter zu mehr Transparenz.
Hintergrund des Falls
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand das Unternehmen Sofatutor GmbH, das Verbrauchern ein kostenloses Testabonnement für Online-Nachhilfe anbot. Nach Ablauf der Testphase verwandelte sich dieses automatisch in ein kostenpflichtiges Abonnement mit automatischer Verlängerung. Der betroffene Verbraucher war jedoch nicht ausreichend über die entstehenden Kosten informiert worden.
Kernaussage des EuGH
Der EuGH stellt klar: Grundsätzlich besteht für Verbraucher bei Fernabsatzverträgen – wie etwa Online-Abos – nur ein einmaliges Widerrufsrecht. Dieses gilt ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn der Unternehmer seine Informationspflichten verletzt, insbesondere in Bezug auf die entstehenden Kosten des Abonnements.
Wenn der Verbraucher nicht klar, verständlich und ausdrücklich darüber aufgeklärt wurde, dass sich das ursprünglich kostenlose Abonnement in ein kostenpflichtiges Abo umwandelt, beginnt mit dem Start der kostenpflichtigen Phase ein neues Widerrufsrecht. Der Verbraucher kann dann erneut und fristgerecht widerrufen, selbst wenn das ursprüngliche Widerrufsrecht bereits abgelaufen ist.
Rechtsfolgen für Unternehmen
Die Entscheidung verdeutlicht: Anbieter digitaler Dienste im Fernabsatz müssen ihre Kunden vollständig und transparent über Vertragsinhalte, Laufzeiten und Kostenfolgen informieren. Fehlen diese Informationen oder sind sie unklar, kann dies erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – einschließlich einer erneuten Widerrufsmöglichkeit.
Praxishinweis
Unternehmen sollten ihre Bestellprozesse und AGB dringend auf DSGVO- und verbraucherschutzkonforme Gestaltung überprüfen. Insbesondere Hinweise auf automatische Verlängerungen, konkrete Preise nach Testphasen sowie Widerrufsbelehrungen müssen unmissverständlich und gut sichtbar eingebunden sein.
Verbraucher sollten prüfen, ob sie im Zuge solcher Abonnementmodelle ausreichend informiert wurden. Im Zweifel kann ein erneuter Widerruf auch dann möglich sein, wenn dieser scheinbar „versäumt“ wurde – jedenfalls dann, wenn die Kosteninformation unzureichend war.
EuGH Urteil vom 05.10.2023 C-565/22